12 Sep Sindelfingen rockt: „Big Balls“ setzen Marktplatz unter Strom
Nach dem Vorbild der australischen Hardrocker von AC/DC ließ es die Formation „Big Balls“ in Sindelfingen krachen.
Bei der vierten Auflage von „Sindelfingen rockt“ stand am Mittwoch eine Hommage an den Stampf-Rock von AC/ DC auf dem Programm. Deren Stuttgarter Kopie „Big Balls“ zog über 4000 Alt- und Jungrocker auf den Marktplatz. Und elektrisierte sie.
Artikel vom 23. August 2018 – 14:31 Von Jan-Philipp Schlecht Vom Donner gerührt: Als Lead-Gitarrist Sebastian Jakic mit seinem Solo den Beginn des AC/DCKlassikers „Thunderstruck“ („Vom Donner gerührt“) einläutet, hat sich das Gewitter über Sindelfingen längst verzogen. Statt am Himmel donnert es jetzt am Boden. Kurz darauf drischt Schlagzeuger Markus Kullmann zweimal rhythmisch auf sein Arbeitsgerät, was die Menge mit frenetischem
„Thunder“-Schreien goutiert. Spätestens jetzt funkt es zwischen der AC/DC-Kopie „Big Balls“ aus Stuttgart und dem Publikum in Sindelfingen. Als dann noch Bassist Alex Jansen seine tief wummernden Achtel drunterlegt, nicken Tausende Köpfe im Takt.
Vom Donner gestreift: Es mag an den zunächst noch stickigen 29 Grad Außentemperatur gelegen haben, dass das Publikum am Anfang des Konzerts nicht so recht in Schwung kam. Dabei sah es am späten Nachmittag so gar nicht nach einem warmen Abend aus: Eine Gewitterfront entlud sich über der Daimlerstadt. Echte Abkühlung brachte der Guss aber nicht, weswegen sich die Menge bei der ersten Hälfte des Konzerts lieber in die Nähe der Bierwagen drückte, als vor die Bühne. Erst nach Sonnenuntergang wurde es merklich kühler. Das tat der Stimmung gut: Die heizte sich auf. Unter Strom: Eigentlich steht das Kürzel AC/DC für Alternating Current/Direct Current, ist englisch und bedeutet Wechselstrom/Gleichstrom. AC/DC-Gründungsmitglied und ikonischer Leadgitarrist Angus Young entdeckte die Abkürzung einst auf einem Aufkleber auf der Nähmaschine seiner Schwester. Er fand es passend, der Rest der Band, zu der auch sein Bruder Malcolm gehörte, ebenfalls. AC/DC stiegen in den Folgejahren zu einer der größten Hardrock-Formationen der Welt auf. Allein das 1980 erschienene Album „Back in Black“ verkaufte sich so Millionen Mal. Damit steht es auf Platz zwei der meistverkauften Alben aller Zeiten – nur geschlagen von Michael Jacksons „Thriller“. Die sogenannten Tribute-Bands bedienen sich meist bei Songtiteln oder Liedzeilen. „Big Balls“ beispielsweise ist ein Songtitel des Albums „Dirty Deeds done dirt cheap.“ Bezeichnend: Auch eine andere AC/DC-Kopie heißt so, weswegen die Schwaben noch den Beinamen Stuttgart tragen. Tribut zollen: Die im Prinzip simpel gestrickten Lieder haben Hunderte, wenn nicht Tausende Nachahmer-Bands aus dem Boden sprießen lassen. Diese lehnen sich meist eng ans große Vorbild an. Rhythmus-Gitarrist Tom Naumann sagt dazu: „Wir spielen die Lieder natürlich exakt nach, aber bei den Bewegungen, der Kleidung und den Bühnenaufbauten nehmen wir es nicht so genau.“ Stimmt: Die AC/DC-Setlist stampfen die fünf runter wie ein Uhrwerk. „Insgesamt rund 40 Titel haben wir im Repertoire“, sagt er. „Proben müssen wir aber nur zwei Mal im Jahr.“ Das nennt man eingespielt. Naumann ist wie sein Schlagzeuger-Kollege Profi und verdient sein Geld mit der Gitarre. Beide spielen noch in anderen Bands aus der Heavy-Metal-Ecke. Gute alte Schule: Bei der Kleidung sticht im Original vor allem besagter Angus Young hervor: Der 63-Jährige tritt traditionell in einer englischen Schuluniform auf. Samt Schirmmütze und weißen Kniestrümpfen. Den Look übernimmt Gitarrist Jakic aber nicht. Ebensowenig den berühmten „Duckwalk“, mit dem Young auch auf seine alten Tage noch über die Bühne zu hüpfen pflegt. Doch bei der Gitarre folgt er dem Vorbild, wohl wegen des unverwechselbaren Kreisch-Sounds, der die Luft zerteilt wie ein Samurai-Schwert. Jakic schultert eine Gibson SG Standard in schwarz. Wäre er ganz und gar originalgetreu, müsste sie allerdings einen kirschroten Korpus haben. Macht aber nichts. So flink wie der Big Baller das Griffbrett seiner Stromklampfe bearbeitet, verzeiht ihm das jeder noch so eingefleischte AC/DC-Fan. Kreissäge: Wo wir beim Kreischen sind, auch die zweite Ikone der Australier will wohl kopiert sein. In den Anfangsjahren legte Bon Scott mit seinem kehligen Schreigesang den Grundstein des AC/DCErfolgs. Doch der Sänger starb 1980 nach einem seiner vielen Alkoholexzesse. Ersetzt wurde er durch den Kfz-Mechaniker Brian Johnson, der wiederum 2016 wegen Gehörproblemen aufhören musste. Seitdem touren AC/DC mit dem Guns’n’Roses-Barden Axl Rose durch die lande. Sie alle eint, das Mikrofon mehr anzukreischen als zu singen. Big-Balls-Sänger Ollie from Hagen (ja, er heißt wirklich so) kommt erstaunlich nahe an die beiden langjährigen Frontmänner Johnson und Scott ran. Er keift ganz vortrefflich „no stop signs, speed limit, nobody’s gonna slow me down“ („keine Stopschilder, Tempolimits, keiner kann mich bremsen“), bevor sein „l’m on a Highway to hell“ im allgemeinen Gegröle untergeht. Chapeau. Lauter Ärger: Auch bei der vierten Auflage von „Sindelfingen rockt“ bleibt es nicht still um die Frage der richtigen Lautstärke. Nach Anwohner-Beschwerden wurde der Regler bei den vorigen Konzerten erst runtergedreht, was Proteste im Publikum zur Folge hatte. Dann einigte man sich auf einen Kompromiss, also halblaut. Der eher gedämpfte Sound traf bei den AC/DC-Stammhörern aber auf wenig bis gar keine Gegenliebe. Als die Stimmung im dritten Set nahe dem Siedepunkt kocht – zwischen den Gassenhauern „Whole lotta Rosie“ und „High Voltage“ – macht auch Sänger from Hagen seinem Ärger Luft: „4000 wollen feiern, nur einer nicht. Den stellt ihr mir bitte mal vor.“ Warum man den Anwohner nicht einfach vier Wochen in den Urlaub schicken könne, ruft er in die Menge. Und: „Uns kann man leiser drehen, aber euch nicht!“ Die Menge dankt es ihm und grölt „Lauter!“-Sprechchöre.“ Kurzschluss: Vielleicht lag es am hohen Stromverbrauch in Sindelfingen-Mitte, vielleicht an einem Blitzeinschlag. Jedenfalls gingen am Mittwoch gegen 23 Uhr im Raum Gärtringen, Nufringen, Ehningen und Altdorf für rund 15 Minuten die Lichter aus – Stromausfall. Das Konzert der „Big Balls“ war da schon vorbei, die Kabel ausgesteckt. Nur die Riffs knisterten noch in den Ohren des Publikums. Der Lichtbogen war übergesprungen. Wenn auch nur imaginär.
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